Weltliche Erscheinungen

von Luxus Lazarz

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Am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, erlebte ich das erste Mal ein Wunder, welches die rege Tätigkeit meines Geistes zur Ruhe kommen ließ. Genauer geschrieben, war es bereits der 10. November 1989, an dem ich tatsächlich realisierte, dass da etwas in meinem Leben passierte und dies unmittelbar vor meinen Augen, was ich für unmöglich gehalten hatte. Eine Welt begann sich aufzulösen. Ich war damals 26 Jahre alt und weder gegen das Geschehen noch dafür, denn es fiel mir eine Erfahrung zu, die in meiner Vorstellung unvorstellbar gewesen war.

Auf das anscheinend Unmögliche kann sich kein Mensch wirklich vorbereiten. Für das vom Verstand Geplante gibt es selbstverständlich einen Rahmen für die Vorbereitung, doch das anscheinend Unmögliche wird immer von Gott gereicht. Damals wusste ich das noch nicht, und hatte monatelang das Empfinden, in einem Traum zu wandeln, in dem viele Regeln und Gesetze, die mir bis dahin bekannt und Richtschnur waren – ihre Gültigkeit verloren hatten. Mit mir verloren Millionen anderer Menschen einen Großteil ihrer Welt. Jener Welt, in die sie geboren wurden und darin aufgewachsen waren, mit dem kindlichen Selbstverständnis in sich, dass kein Mensch jemals wirklich um seine Existenz bangen musste.

Meine alte Welt ging in eine weitere Welt ein, verschwand darin Jahr für Jahr mehr. Umschlossen von einer neuen Welt des Reichtums, des Privatbesitzes im großen Maßstab, der  Freiheit und mit einer sicheren Währung. Anfänglich hatte ich Angst vor dieser neuen Welt, doch mit dem darin Verweilen, lernte ich alltäglich mehr, mir all die Freiheiten zu genehmigen, welche in der alten Welt unerreichbar geblieben waren. Bis dahin hatte ich ehrlich geschrieben, nichts vermisst. Ich lebte meine Gedanken, ohne Politik allzu wichtig zu nehmen.

Die alte Welt wurde sozusagen über Nacht, durch eine neue Welt ersetzt. Eine neue Welt, in der Vieles anders war und anders gesehen wurde, als in der vertrauten, weitestgehend sicheren und mir über mehrere Jahrzehnte gewohnten Welt. Plötzlich wurde ich wieder zum Lehrling, der das bis dahin Gelernte, einer Prüfung unterziehen musste und sich von so manchem trennen, was ihm lieb und teuer war. So auch von meinem Glauben an die Unerschütterlichkeit eines Staates und dessen Schutz meines Lebens. Klar, das Land war geblieben, doch der Staat war perdue. Den Staat hatten sich Menschen ausgedacht. Er war nur eine Idee. Doch das Land hatte Gott bereits vor undenkbar langer Zeit, im Universum bereitgestellt. Bereitgestellt für seine Kinder, hier und jetzt – genau wie anderswo.

Das Land selbst, also dessen Himmel und Erde, waren voller Weisheit, Fürsorge, Reichtum und Freude, die keine noch so alte Geschichte einer disharmonischen Welt jemals auslöschen konnte. Aus der Erde und aus dem Himmel, strömte ES in unsichtbarer Weise in die Menschen, die sich zwischen diesen beiden beständigen Polen bewegten. Im Außen mit der Erde verbunden und umsorgt, sowie im Geist vom Himmel mit Licht und Liebe genährt. Dies bleibt ewig und nichts – vom Menschen Gemachtes, kann diese Wahrheit jemals vollkommen verdrängen. Denn die Lüge versteckt sich in der Wahrheit, dort bewohnt sie einen engen Raum. Doch selbst bis in diesen engen Raum, klingt des Einen Stimme und lockt das Übel ins Licht. Darin wird es verbrennen und danach kann man die Welt mit des EINEN Augen anders sehen.

All das wusste ich natürlich damals noch nicht. Auch nicht, dass mir allein durch Gottes Gnade, in der neuen Welt mehr Erfolg beschieden ward, als nach all meinem Wissen zuvor, mir jemals erreichbar erschienen war. Mein Leben strömte ganz normal weiter, nur mit mehr Ängsten beladen – als zuvor. Doch als die Aussichten sich festigten und die alte Welt mir nur noch wie ein ferner Traum in Erinnerung blieb, fügte ich mich ein, in den Wirtschaftsstrom der reichen Welt. Ich lernte anders zu denken und dennoch im Herzen, die Eine zu bleiben, welche ich bin. Und auch, was ich in der Familie gelernt hatte, dass kein Mensch besser oder schlechter als ein Anderer ist und immer sein Leben wert, blieb mir stets bewusst.

Irgendwann erkannte ich die Gleichheit der Menschen in beiden Welten, zumindest was ihre Probleme anbelangte. Ihre Freuden und Vorstellungen von Glück waren recht unterschiedlich, doch wie es beliebt, so sei es gewährt, oder auch – dein Wille ist dein Himmelreich. Die reiche Welt ermöglichte mir den Zugriff auf neues Wissen. Wissen, das zwar keinem Laborversuch standhielt, und dennoch einfühlsam erkundet werden konnte. Fühlbar Frieden und Einsichten gab, die wahrer erschienen als alles von mir bisher geglaubte. Ich begann an Gott zu glauben, IHN in meinem Leben zu fühlen, und immer wieder zeigte ER sich mir, in Form von unglaublichen Zufällen. So wurde ich mutiger und stellte mich einigen Ängsten direkt. Und ein kurzer Weg durch meine freiwillig erdachte Hölle, führte mich direkt ins Paradies.

So verlor ich auch die neue Welt wieder aus den Augen und fand mich in einer einfachen Finca in einem anderen Land und Leben wieder. Die Liebe hatte mich beflügelt und einfach mit sich genommen. Für ganze drei Jahre sollte es mir an dem neuen Ort gelingen, die Vergangenheit und vielerlei von mir akzeptierte Gesetze – vorübergehend zu vergessen. Und in diesem Wunder fiel mir ein Weiteres zu. Das Vergessen brachte mir neue Energie, gestaltete meinen Körper anders. Ich war zufrieden und glücklich wie noch nie zuvor in meinem Leben. Und all dies, fand nicht im weltlichen Reichtum statt. Eher war es das ganz einfache Leben, welches mir diese glückliche Erfahrung zuspielte. Kein moderner Komfort, keine regelmäßigen Einkünfte, keine Sicherheit für den nächsten Tag, doch der gegenwärtige – war so erfüllt, dass der nächste ewig fern schien. Dies brachte ein Empfinden von Zeitlosigkeit mit sich, und die Zeit verlor in diesen Jahren alle Macht über mich. Vielmehr heilte sie nun wahrlich meine Wunden und man sah es mir an, sogar ich. Ich war nicht mehr die Alte, doch ich war auch nicht weniger als zuvor. Und ich hatte nur noch eine Angst, die vor der Unberechenbarkeit des Menschen und somit vor meiner eigenen Wankelmütigkeit. Doch auch das wusste ich damals noch nicht. Nur, dass sich das Leben immer wieder in ungeahnter Art verändern konnte, dessen war ich mir nun mehr als gewiss.

Nach diesen glückvollen Jahren hatte ich einen schwachen Moment, und ich gab ihm nach, indem ich das Gegenwärtige mit einem Stück aus meiner Vergangenheit verglich. Dieser Blick zurück, zwar kurz – doch intensiv, genügte, um eigentlich Ungewollten in meinem Leben erneut Einlass zu gewähren. Vier Jahre habe ich dann gegen diesen Teil meiner Vergangenheit gekämpft, mit Worten, mit Taten, mit Angriff und Drohung, nichts hat genützt. Irgendwann gab ich aus Hilflosigkeit auf und nur eine Woche später, verschwand dieser Teil wieder – aus meinem Leben – diesmal für immer. Alle Erinnerung wurde abgelegt und liegt nun hinter mir. Ich hatte Gott vergessen, doch er brachte sich mittels einer überraschenden Heilung meines Lebens – mir wieder in die Erinnerung.

Das Leben strömte weiter in mir, ich war nicht mehr ganz in der herkömmlichen Welt, doch auch nirgendwo anders. Nach neun Jahren kehrte ich zurück in das Land meiner Muttersprache. Hier vergaß ich innerhalb kürzester Zeit wiederholt Gott für ganze zwei Jahre und kämpfte in der reichen Welt, wie einst gewohnt mittels Fleiß und Widerstand, um meine Existenzberechtigung. Unbeachtet ließ ich mein Wissen, dass alles Lebendige miteinander verbunden ist, und ich nur gegen mein anderes Gesicht kämpfe. Dann passierte mir ein Unglück, sodass ich mich erneut an Gott erinnerte und im ersten Moment dachte, ER hätte mich verlassen. In Wahrheit war jedoch ich diejenige, welche in ihrem Leben auf IHN vorübergehend verzichtet hatte. Denn das Unglück, war im Rückblick ein großes Glück,  wiederholt eine Erinnerung von IHM daran, dass ER immer für seine Kinder da war und diese es sich nicht beharrlich selbst schwer machen sollten. Also ihr schönes und geschenktes Leben, mit Sorgen beschweren, mit Klagen und Ärger, was ja alles wahrhaft vollkommen unnütze Dinge sind, wenn man Glück anstrebt.

Das als Unglück getarnte Glück, passierte vor mehr als vier Jahren mein Leben. So bin ich also dieses Mal über die magischen drei Jahre von einst hinausgelangt. Nicht so unversehrt, wie erhofft, doch dies betrifft nur den Körper, mein Geist ist beweglich, wach und lebendig, wie in keiner Lebenszeit zuvor. Das fünfte Jahr nun, welches im Frühling 2019 begann, war und ist von ganz besonderer Qualität. Denn mit Hilfe des Kurses lerne ich seit Beginn des Jahres, all jenes, das ich weiß, auch im Alltag anzuwenden und auch alles, was ich damals eben noch nicht wusste, beständig in mir bewusst zu halten. Konflikte sind kein Muss und auch nicht die Würze des Lebens. Dankbar vergesse ich all den Quatsch, der mir einst den Verstand kritisch fütterte. Der Mensch hat mächtige Helfer, wenn er nach den Sternen greifen will. Und in seinem inneren Himmel, wird ihm jeder Griff gelingen, all die Liebe und den Frieden mit sich bringend, der vom Licht der Sterne verheißen wird.

Heute empfinde ich die Gewissheit in mir, Gott lebt in dir und mir und wir in IHM.

30 Jahre liegt der Beginn dieser überraschend wundersamen Wendung in meinen Leben nun zurück. 30 Jahre, die mir seltsam länger erscheinen und dennoch wie ein kurzer Moment – im Meer aller Möglichkeiten, den Willen Gottes lebendig zu gestalten, und dies so liebevoll – wie eben möglich.

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