Erkenntnisreich

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Stell dir einmal vor, du hättest als Mensch die Fähigkeit, zu erkennen, dass alles, was du siehst, eigentlich nur jenes ist, was du seit Jahrzehnten, mit kurzen Unterbrechungen, in dir denkend bestätigst. Also zum Beispiel, dass die Welt schlecht und ungerecht sei, die Liebe schmerzvoll ist, dass der Mensch altern muss und oftmals sogar leiden, bevor sein Körper den Geist aufgibt. Genauer geschrieben, bevor der Geist den Körper verlässt. Zurücklässt, hier auf der Erde, weil er dieses Hilfsmittel, diesen Anzug im Himmelreich nicht benötigt, da es dort keinerlei Kleiderordnung gibt. Dies sei aber nur am Rande erwähnt, denn hier geht es um deine Fähigkeit, dich selbst in allem zu erkennen, was dir  begegnet im Leben, und zwar jetzt und folgend.

Du hast also diese Fähigkeit, und eines schönen Tages, wendest du sie auch tatsächlich an, hörst zu und siehst ohne Vorurteil und Kommentar im Kopf – lautlos genauer hin. Und dann erkennst mit Schrecken, dass zum Beispiel ein Nachbar, wahrlich gar nicht so über dich denkt, wie du es diesem, in deinem übervollen Kopf, beharrlich mittels Gedanken untergeschoben hast. Über Monate schürrtest du derart, in dir eine Angst vor diesem Menschen. Hast ihn klammheimlich beschuldigt und verurteilt, da er dir herzlos erschien, und in Wirklichkeit bist du es selber gewesen, der all dies in sich erdachte und währendessen in sich selbst dann wohl auch tatsächlich war. Du bist auf deine eigenen Gedanken reingefallen, hast der Illusion in dir mehr Glauben geschenkt als der Wirklichkeit. Diese kanntest du ja gar nicht, hattest nur im Kopf eine Fantasie, die dir in der Welt als einzig wirklich erschien.

Deshalb bist du kein schlechter Mensch. Denn du wusstest es nicht besser und hast dein Urteil über den Anderen auf Erfahrungswerten aufgebaut. Nun machst du eine andere Erfahrung, eine, die dich von einem Irrtum befreit. Einem Irrtum, der dir kein Wohlgefühl einbrachte, sondern in dir gedanklich Krieg gegen den Nachbarn führte, stritt mit dem Anderen, der dir nur so erscheinen kann, wie du denkst, dass er es ist. Wenn du jedoch bereit bist, das alte Bild fallen zu lassen, um zu erkennen, wie dieser wirklich ist, eröffnet sich dir eine ganze neue Sicht, bezüglich der Welt und dir selbst darin.

Und immer öfter erkennt man sich dann selbst im Anderen, nicht in Fehlern, nicht in Sünden, nicht im Wahnsinn, sondern einzig und allein als menschliches Wesen, das in Frieden lieben will, was Gott als Leben gab und gibt.

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