Licht und Schatten

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Schaut man in das Alphabe(e)t europäischer Sprachen, kommt das Licht darin lange vor dem Schatten. Wobei allgemein bekannt sein dürfte, dass ohne Licht nur Dunkelheit bleibt, in der die Schatten wiederum aus Licht sein müssten, um überhaupt gesehen zu werden. Zusammengefasst bleibt offenbar, dass sich ohne Licht, kein Schatten bilden und man diesen, nur im Licht sehen kann.

Weiterhin ist bekannt, dass des Schattens Länge und Breite stets vom Standpunkt, beziehungsweise der Sicht des Lichts abhängig sind. Also jenem Licht, dem der Schatten sein vorübergehendes Erscheinen verdankt. Da der Schatten keine eigene Tiefe hat, kann er nirgendwo ohne das Licht sein, sich weder festhalten noch aufhalten, wenn dieses weitergleitet. Und erreicht das Licht den sogenannten Scheitelpunkt, so wie die Sonne am Mittag den Zenit, ist er gekommen, jener Moment, in dem es wahrlich keinen Schatten gibt.

Man beachte im Vorstehenden, dass das Wort Mittag kein Essen beschreibt, sondern eine Kurzform für die Benennung der Mitte des Tages darstellt. Ich bemerke dies nur, weil ich selbst beim Wort Mittag irgendwie immer an Essen denken muss. Des Wortes wahrer Sinn, scheint mir nun jedoch mehr darin zu liegen, an etwas zu erinnern, was ich irgendwie vergessen hab. Wie schön zu wissen, dass Vergessen nicht gleich Verloren ist.

Nun zurück zum Licht und dem Schatten in diesem. Stell dir einmal vor, dass in Wirklichkeit alles aus Licht ist und dein Körper lediglich einen Schatten darin darstellt. Das war natürlich nur ein Witz. Stell dir nichts vor, sei dir vielmehr dessen gewiss, dass jeder Schatten – wie oben beschrieben, eine Illusion verhüllt. Eine Illusion, die sich unweigerlich auflöst, wenn das Licht eine andere Position der Sicht einnimmt.

Jetzt ist dir schon klar, dass das Licht in diesem Beitrag auch als ein Synonym für dich und mich steht? Es ist keine Seltenheit, dass man die Menschen, Situationen und Dinge am Morgen anders sieht, als im weiteren Verlauf des Tages und am Abend. Sowohl im Umfeld, als auch im Innersten. Beobachter in der Natur sind Zeugen des beständig sanften Gleitens von Licht durch Raum und Tag. Wobei ja auch der Tag ein Raum ist, den man in gewisser Weise selbst gestalten kann. Ein unsichtbar-sichtbarer Raum, der nicht greifbar ist und deshalb auch nicht festgehalten werden kann. Doch dafür alltäglich neu erfühlt und befüllt wird, mit Leben, mit Freude, mit Liebe, was sollte man sonst noch wollen?

Jetzt stell dir doch einmal vor, du und ich sind das Licht, dass sich in Schatten oder auch in Liebe widerspiegelt. Ich seh in dir, was mir an mir selbst nicht behagt, doch ich kann auch in dir sehen, wie schön das Leben ist und wie liebenswert dazu. Es gibt ein Sprichwort, worin vermutet wird, dass große Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen. Ob dies stimmt, weiß ich nicht. Dass meine Gedanken desöfteren Schatten auf das noch Kommende warfen, dies kann ich schon erkennen. Jetzt hab ich die Wahl. Will ich auch weiterhin die Schatten meines eigenwilligen Selbst erleben, oder mit Leichtigkeit das Licht in mir tragen. Will ich mich selbst täuschen, oder tatsächlich die Dinge im Licht einsehen?

Du und ich sind das Licht, und die durchschaubar wiederkehrenden Schatten in unserem Leben, all diese sind in uns gemacht. Selbstverständlich kann man sich in jeden Schatten vertiefen, solange man nicht dabei vergisst zu fühlen, was man tut. Doch man kann diese Friedensbrecher auch unbeachtet lassen. Also den schattigen Gedanken im Bewusstsein weitergleiten lassen, ohne diesem hinterher zu sehen, oder gar durch Nachrufe zu stärken und erneut herbei zu winken. Masochismus hat Gott uns nun wirklich nicht in die Wiege gelegt.

Das Licht in dir und mir ist gesegnet, weil Gott es so und nicht anders – erschaffen hat, in sich lebendig hält und liebt. Und das Licht währt ewig, mit und in IHM.

Dankeschön fürs Lesen.

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