Die Weite

von Luxus Lazarz

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Stell dir einmal vor, du würdest in einer Welt erwachsen, in der man kein Kleidungsstück jemals weggibt. Selbstverständlich sind alle Kleidungsstücke dehnbar und man behält sie in dieser verrückten Welt an. Also über die Kleider der Kindheit, werden jene der Jugend gezogen, und dann kommt noch ein Anzug darüber, der fürs Büro und auch jener, den man auf Hochzeiten trägt. Jeden Abschnitt seines Lebens, behält man so beständig bei sich.

Natürlich hätte diese Welt große Räume, mit breiten und hohen Türen. Gradso, wie in den Schlössern der Könige, damit die Gewichtigkeit der Person sich nicht an einem Rahmen stoßen muss. Hier liegt ein Lachen. Die Vorstellung ist lustig und gleichfalls absurd. Insbesondere, wenn man da mehr als eine Ehe, einen Beruf und eine Kindheit hatte, zählt all dies, wie ein neues Leben, ein weiteres im Einzigen und hinterließ sein Kostüm. Gäbe es in dieser Welt auch Hüte?, fragt es in mir. Und schon wieder gesellt sich ein Lachen hinzu.

Doch dann folgt noch eine Frage. Wie winzig sich der nackte Mensch dort wohl selbst erscheint, in den Momenten ohne das Kleid seiner gehorteten  Lebenszeit? Doch eventuell fühlt sich dieser Mensch auch einfach nur frei. Frei von all dem Stoff, der ihn nicht derart leicht atmen ließ, wie es noch am Anfang war. Mit dem kleinen Hemd, den kurzen Hosen und ohne Koffer unterwegs. Und der Mensch empfängt aus seinem Innersten vielleicht sogar die Idee, nur noch die Kleidung der Kindheit zu tragen und darüber lediglich den Mantel des Gegenwärtigen zu ziehen.

Mein Gott, sofort würde doch der Sammler in diesem Menschen furchtbar schreien und die Angst, ein Niemand zu sein, um ihr Überleben kämpfen, alle Zukunft könnte sterben, nein, das geht nun aber echt nicht. Oder, doch? Das weiß nur Gott und für diesen ist ja nun wahrlich gar nichts unmöglich. Und in allen Welten hat er seine Kinder. Auch in jener, wo die Menschen alle Kleidung ihres Lebens im Innersten behalten, mit sich tragen und unter dem Druck aufs Herz dann leiden. Sich mit Erinnerung das Jetzt vergällen, obwohl dieses so rein und voller Liebe ist, wie wahrlich in Gedanken keinem Lebewesen vorstellbar sein kann.

Doch deine Seele weiß es und ihre Freude überströmt dir Hals und Nacken. Die Idee kam natürlich von ihr, und du hast sie empfangen. Jetzt weiß sie, dass du sie wieder hörst. Mit ihr lebst, in einer Welt, deren Rahmen nur in der Zeit begrenzt Wirksamkeit haben, doch außerhalb dieser bedeutungslos sind.

Stell dir vor, du lebst in einer Welt, in der die Freude bedingungslos herrscht und der Frieden ewig währt. Wie würdest du dich dort kleiden?

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