Verstehen wollen

von Luxus Lazarz

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Aller Ärger beginnt im Leben damit, dass ich etwas verstehen will und es nicht sofort kann, manchmal auch nie, genau wie es auch dem Anderen geschieht. So sind wir oft in unserem nicht Verstehen einig, jedoch den Frieden daraus entfalten, das ist eine Fähigkeit, die man nur langsam mit Beständigkeit nutzt. Natürlich muss man diese Fähigkeit auch zuvor mindestens einmal entdecken, um sich der unerklärlichen Kraft darin gewahr zu werden. Und wo diese Entdeckung sich ausdehnt, da kann kein Ärger sein.

Wenn ich etwas verstehen will, zum Beispiel wie das menschliche Leben funktioniert, beobachte ich alles zum Thema und mache mir anschließend diesbezüglich, dazu meine sogenannten eigenen Gedanken. Ich erfinde meine Wahrheit. Dabei sind die Gedanken behilflich, die mich zu Erklärungen führen, auf die ich ohne mein stetes Bedenken – eventuell gar nicht gestoßen wäre. Beim Verstehen wollen, findet eine Suche statt. Genau formuliert, suche ich in der Welt eine Antwort auf die Frage:

Warum bin ich eigentlich hier?

Es beginnt damit, dass man den Anderen nicht mehr versteht, und dann wächst das Unbehagen stetig weiter, und plötzlich versteht man die ganze Welt nicht mehr, letztendlich nicht einmal sich selbst darin. Dann ist man allein, weil es Zeit wird, wieder ALL*EIN zu sein. Ein kurzer Moment genügt, um die Erkenntnis zu empfangen, dass man niemals allein war, ist und sein kann. Nie allein – ohne das, was dem Menschen – in immer noch unbekannter Art und Weise – beständig das Leben gibt. Dieses allumfassende Wesen, ohne dass es für den Menschen gar keine Welt und Leben darin gäbe.

Und so kann der Mensch in weiterer Art verstehend erkennen, dass es etwas Wahrhaftes in seinem Leben gibt, das ihn beschützt, oft in erster Linie vor den Folgen von des Menschen eigenen Ideen. Zwar will man dann immer noch verstehen, doch es ist nicht mehr so dringlich, denn das Fundament ist beständig. Manchmal blendet der Verstand zwar, die sich entfaltende Gewissheit vorübergehend wieder aus, doch ganz verdrängen, kann er diese nicht mehr. Die wahrgenommene Umgebungswelt beginnt sich im Jetzt zu entschleunigen, da man selbst nicht mehr rennt. Besinnlichkeit bestimmt nun überwiegend den Akt des Denkens, und Erkenntnis erweitert den beschränkten Blickwinkel, Schritt für Schritt bis zum Kreis mit Überblick.

Mit menschlichen Gedanken kann man wohl kaum verstehen, was größer ist als man selbst. So wie wir uns dem, was wir gemacht haben, auch nie gänzlich verständlich machen können. Doch man kann das Wesentliche in allem erkennen. Man hat sich nicht selbst erschaffen, man ist zwar gewachsen, doch das tägliche Erwachen – wird von wo anders angeregt. Der Wecker kann solange klingeln, wie seine Feder reicht. Ist da keiner, der Erwachen will, wird der Wecker nutzlos bleiben. Der Geist im Menschen, das wahrhaft Lebendige in ihm, ist also nicht von dieser Welt. Es kommt alltäglich von woanders hierher zurück. Manchmal sagt es, also sagt der Geist sogar durch mich und dich, dass er noch gar nicht ganz da ist.

Warum wir wirklich leben, weiß kein Mensch. Es ist, wie es ist und dies zu verstehen oder auch nur zu akzeptieren, ist ein wundervoller Beginn von etwas bisher Unvorstellbarem, in dem sich beständig der Anlass für Freude mehrt.

Wer ist man eigentlich, dass man soweit kommen konnte und sich selbst nicht mehr versteht? Wie kann es passieren, dass man sich in der einen Welt, nicht mehr Zuhause fühlt, obwohl es doch anscheinend gar keine andere Welt gibt – als jene, die wir für uns selbst wahrnehmen? Da stimmt doch irgendetwas nicht – mit mir, dem Menschen. Denn ich bin da, wo ich sein wollte, sonst wäre ich es nicht. Niemand hat mich gefesselt und hierher geschliffen. Niemand hat mich zu dem gemacht, was ich wahrnehme zu sein. Ich selbst war es, die Ja sagte und auch Nein, die träumte, die zustimmte oder ablehnte, die weiter träumte, bedachte und wahr machte, was bedacht und geträumt worden war. Ich kann mich nur verstehen, wenn ich mich selbst in der Welt und all dem Geschehen darin – erkenne. Wenn ich meine Gedanken als Bilder neben mir laufen sehe und ohne Vorurteil – wie zuletzt in der Kindheit – anschaue.

Was ich dann erkenne, lässt mich zweifellos einsehen, dass es nichts gibt, was wirklich verstanden werden kann. Gelernt werden schon, was jedoch nicht zwangsläufig bedeutet, dass man es auch verstehen muss.

Ich kann sehen, wie sich meine einstigen Pläne verwirklichten, doch meinen Träumen kaum nahe kamen. Beinahe alle Pläne offenbarten sich als unvollkommen, und selten stimmte mich das geplant-erreichte Ergebnis wirklich zufrieden. Wenn doch, war dies oft nur ein kurzer Moment.

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In der Welt gründet der Frieden auf Verstehen. So kann der Verstand, welcher keinerlei Verbindung mehr zu seinem reinen Geist hat, sogar glauben, dass ein Krieg gerechtfertigt ist. Genauso wie der Frieden, der jedem Krieg folgt. Doch ändert sich das Verständnis, weil die Umstände sich ändern, ist es auch mit dem Frieden wieder vorbei. Es war also kein echter Frieden, denn dieser währt ewig. Frieden – mittels verstanden werden Wollen aufzubauen, ist also keine wirklich sichere Angelegenheit. Doch das Verstehen wollen beschäftigt die Welt und den Menschen darin, seit wir das Denken, Bedenken, Entscheiden und Verwerfen lernten. Denn wenn man versteht, wird man für eine Weile friedlicher gestimmt, bis das nächste Unverständnis sich in uns die Ehre gibt.

Doch es gibt Hoffnung, die im Erkennen dessen begründet ist, dass all jene Gedanken, die uns den Frieden rauben, angriffslustig machen, schwermütig, überglücklich oder auch tieftraurig stimmen, in uns sind und empfunden werden. Dies ganz unabhängig davon, ob diese Gedanken einen tatsächlichen Bezug zum wahrhaft Gegenwärtigen in unserem Leben haben, oder auch nicht. Was ein Mensch in sich bedenkt, ist stets dessen eigene Wahl. Und dieses wiederum ist wahre Gerechtigkeit und Gottes Gesetz, da jeder in sich empfängt, was er dort gibt und durch Aufmerksamkeit liebt.

Also sieh nach, schau und lausche in dich hinein. Welche Gedanken beherrschen dein Denken, sind dir derart lieb und teuer, dass du dafür deinen Frieden aufgibst, davon graue Haare bekommst oder gar dein Leben einsetzt? Und dann frage dich selbst, ist es das, was du wirklich willst? Wenn nicht, dann wähle absofort anders zu denken, als bis hier und jetzt gewohnt. Denke friedvoll und die Welt um dich herum, wird sich deinen Gedanken anpassen, wenn Frieden dein tatsächliches Bedürfnis ist.

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