Die Erfindung der Welt

von Luxus Lazarz

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Denke ich über Zukünftiges nach, liegt es eindeutig auf der Hand, dass ich die zukünftig erwartete oder gewollte Situation – in mir erfinde. Ich schaffe mittels Gedanken aus dem Nichts etwas in mir, was zuvor nicht war. Begegnet mir das Erfundene dann in meiner Wirklichkeit, bin ich tatsächlich nur ein Empfänger oder auch ein Opfer der eigenen Schöpferkraft. Meine Voraussicht der Welt ist stets persönlich und deshalb fehlerhaft. Denn ich habe weder die totale Übersicht noch eine wirkliche Garantie, bezüglich der Entwicklung der Dinge in meinem Leben.

Mehrmals am Tag kann man sich dabei beobachten, wie man über zukünftige Situationen und Möglichkeiten nachdenkt. Wie man die Zukunft ausmalt, gestaltet, was man sagen, was man tun wird und wie sich Andere in das gegebene Leben einfügen lassen. Man erfindet Stunden, Tage und Jahre, die dann desöfteren vom Leben mit Ereignissen gefüllt werden, deren Eintreten uns unerklärbar dünkt. Doch jeder Gedanke des Menschen ist ein Baustein für das von ihm im Kopf angeforderte Leben. Und das Leben zeigt dem Menschen bedingungslos dessen Wünsche, Denkfehler und Irrtümer auf, bis dieser Ideen in sich selbst korrigiert, beziehungsweise deren weiteres Beachten und Bedenken aus Unhaltbarkeit weglässt.

Es ist einfacher nachzuvollziehen, als man denkt. Wenn man zum Beispiel im Supermarkt einkaufen geht, tut man normalerweise nur die Dinge in den Einkaufswagen, die man kaufen und probieren will. Nicht unbedingt braucht, doch man will sie, und nur deshalb packt oder holt man sie in sein Leben. Man glaubt zu brauchen oder will erfahren, was sich in der Welt des Supermarktes anbietet. Überwiegend weiß man im Supermarkt auch, was man will, und das gestaltet den Einkauf relativ einfach. Niemals würde man jene Produkte, die man nicht will, ausgiebig betrachten, über deren Veränderbarkeit nachdenken, verbessern wollen oder diese eventuell gar an anderer Stelle so verstecken, dass man sie nicht mehr sehen muss. Man blickt über diese Dinge hinweg. Zwar sind sie da, doch bedeutungslos für das – was man wirklich will. Deshalb sieht man sie irgendwann gar nicht mehr. Es kann sein, dass diese Dinge noch anderswo da sind, doch da man sie nicht sieht, weiß man dies gar nicht, schon gar nicht mit absoluter Sicherheit. Dem Bedeutungslosen schenkt man keine weitere Beachtung. Es ist ungefährlich, weil es keinerlei Einfluss in meinem Leben hat.

Wenn man nun den Kopf des Menschen ebenfalls, als eine Art Supermarkt für Gedanken, Bilder und Möglichkeiten, um das Leben wahrzunehmen, ansieht, könnte man doch das im realen Supermarkt antrainierte Verhalten, auch im alltäglichen Denken anwenden. Also konsequent das, was zum Beispiel garantiert ärgerlich stimmt, unbrauchbar erscheint und allgemein Freude raubt, ohne Beachtung lassen, nicht reagieren, fühlen, übersehen und weiterleben. Das spart Zeit, Geld und Kraft. Man darf dabei nämlich nicht vergessen, dass dieser Supermarkt im Kopf rund um die Uhr geöffnet hat, und es ist tatsächlich die absolute Selbstbedienung, die dort zelebriert wird. Und da der Kunde unbeaufsichtigt ist, verführt es natürlich dazu, sich alles ganz genau anzusehen. Das Meiste will man gar nicht kaufen, aber ansehen kostet ja nichts, so heißt es überall. Doch das ist nicht wahr. Denn es kostet Lebenszeit, die man nirgendwo nachkaufen kann. Und alles, was mit Lebenszeit bezahlt wird, darf der Käufer im Geist behalten, solange er will, also auch das, was er nicht wollte und dennoch besah. Mittels ausgiebiger Begutachtung hat es der Geist in gewisser Weise erworben, sich angeeignet und weiß nun Bescheid. Wer Bescheid weiß, vergisst selten leicht.

Nun stell dir mal vor, man würde alles aus dem realen Supermarkt mitnehmen, was man nicht will. Nicht nur, dass dies ja eindeutig ein Hinweis darauf wäre, das man wahnsinnig ist, darüber hinaus würden sich innerhalb kurzer Zeit in unserem Haus vom Keller bis zum Dachboden, lauter unnütze Dinge ansammeln. Es würde eng werden, so eng, dass man manchmal kaum noch atmen kann. Irgendwann würde man gar nicht mehr ins Haus passen, doch dafür wäre man dann scheinbar reich an Dingen, die man nicht braucht. Schon gar nicht im Himmelreich.

Nun könnte man annehmen, dass wenn man aus einem menschlichen Körper alle lebensfremden Gedanken, Bilder und Ideen herausschütteln würde, eventuell nur eine leere Hülle übrig bliebe. Doch besonders hier irrt der Verstand. Das Baby und auch das sanft wachsende Kind sind offensichtlich derart voller Leben, dass man als menschlicher Hochseegedankenfrachter kaum noch mithalten kann. Und das Einzige, was dem Kinde wahrlich fehlt, um sich selbst zu bremsen und seine Lebenskraft zu dämmen, sind eben all jene Gedanken, die es erst später in der Welt ganz fleißig einsammelt.

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Wie man sich selbst erfindet und in die Welt einpasst, davon dann mehr in einem der noch folgenden Beiträge.

Danke fürs Lesen.

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