Als wahr angenommen

von Luxus Lazarz

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Während Sie sich Gedanken machte, wie man sich dem Frieden Gottes unbehindert weiter nähern könnte, lief Er zwischen den Räumen hin und her und suchte etwas. Schließlich fragte Er Sie, ob Sie das Massageöl gesehen hätte, welches Er gestern in der Apotheke gekauft hatte. Das musste Sie verneinen, sah jedoch in einer bildhaften Erinnerung innerlich, dass das Massageöl tatsächlich auf der Rückbank im Auto gelandet war. Eventuell war es dort immer noch, dachte Sie laut, doch Er verneinte dies, da Er in seiner Erinnerung, das Öl bereits am Abend in den Händen gehalten hatte, während Er dessen Gebrauchsanweisung las. Wenn das so ist, sagte Sie, dann muss es ja hier irgendwo stehen. Naheliegend war da selbstverständlich, ein Blick in den schmalen Schrank, gefüllt mit den Utensilien fürs Bad, der im Flur stand. Deshalb sah Sie dort als Erstes nach. Die Verpackung war doch blau, fragte Sie vorsorglich noch, und Er bestätigte dies.

Nachdem die Beiden alle Möglichkeiten abgesucht hatten, stieg in Ihr kurz ein Gedanke auf, der zu bedenken gab, dass sich das Öl – eventuell gar nicht mehr in der Verpackung befand. Diesem Gedanken schenkte Sie jedoch keine weitere Beachtung. Stattdessen lief Sie noch einmal alle Möglichkeiten ab, angefangen beim Badezimmerschrank und bis in die letzte Ecke des Schlafzimmers. Dann warf Sie noch einmal einen Blick in den Badezimmerschrank, doch auch dieses Mal fand Sie nicht, was Sie darin suchte.

Einige Minuten saßen sie nun ratlos im Zimmer, da stand Er plötzlich auf und ging erneut in den Flur zum Badezimmerschrank, öffnete dessen Tür und hielt plötzlich eine kleine Flasche in der Hand. Da sagte Er, dass Er sich gerade erinnert hätte, dass die Verpackung schon in der Papiertonne lag. Sie saß weiterhin im Zimmer und staunte nur. Dann ging Sie selbst noch einmal zum Badezimmerschrank und öffnete dessen Tür, um sich von Ihrer begrenzten Wahrnehmung, selbst einen bleibenden Eindruck zu verschaffen.

Das Öl hatte im Badezimmerschrank beinahe in Augenhöhe gestanden. Auf der braunen Flasche war ein weißes Etikett befestigt, auf welchem in großen Buchstaben deutlich – 100 Prozent MASSAGE-OEL – zu lesen stand. Sie wiederum hatte nur nach einem blauen Karton geschaut. Also etwas, was sich gar nicht mehr finden ließ, weil der Karton ja bereits entsorgt worden war. Es war somit von der Suche Beginn an eine Illusion gewesen, nach der Sie erfolglos Ausschau hielt. Und obwohl, das zu Findende, echt dicht vor Ihrer Nase gestanden hatte, wurde es durch Ihren geschulten Sucherblick – aalglatt übersehen. Mein Gott, dachte Sie, ich danke Dir für diese Lektion, nur Du weißt, was alles schon da ist – und ich noch nicht erkannt habe.

Lernen und verlernen

Schauen nach all dem, was wirklich da ist und nicht nur nach jenem, was man sucht. Dann kann man desöfteren im Gegebenen finden, was die Suche zuvor übersah, weil deren Ziel – eingerahmt war und die Realität offenbar – gar nicht wahrnahm.

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