Wachgeträumt

von Luxus Lazarz

 

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Wie tief träumst du und wie weit dazu? Ungezählt viele Bücher gibt es auf dem Wissens-Markt zu erwerben, die das Symbolische unserer Träume beschreiben, versuchen deren Wesen zu ergründen. Sogar die ernsthafte Wissenschaft beschäftigt sich im sogenannten Schlaflabor mit dem Thema. Der Traum fällt uns zu, erscheint aus einem tiefen Raum unseres Innersten. Also jenen Raum in unserem Leben, denn wir im träumerischen Schlaf innerlich wahrnehmen, doch im Wachzustand nur selten betreten können und kaum jemals halten. Dennoch gibt es diesen Raum.

Ich hab da so eine Theorie, dass dieser tiefe Raum im Verborgenen das Bildtelefon unserer Seele ist, über das sie – den ihr anvertrauten Menschen, hilfreich, mitfühlend und Einsicht gebend begleitet – also leitet und direkt aufklärt. Die Seele kennt ungezählt viele Wege, sich bemerkbar zu machen, doch der Traum ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Hauptarbeitsplatz in der Nacht. Ohne Unterlass arbeitet sie an ihrem Schützling, also auch in dir und mir, an unserer Wahrnehmung des Lebens, zeigt uns im Traum Lösungen für scheinbar Unlösbares oder gewährt sogar einen unverstellten Blick von Oben auf jene Situationen, in denen man sich grad befindet oder auch feststeckt. Manche Menschen haben schöne Träume – andere erschreckende, jeder ganz nach Bedarf und selbstverständlich aus der Grundstimmung der Seele geformt. Jenem Wesen, das in uns allen schwingt.

Da jeder Mensch träumt, hat somit auch jeder die kostenlose Möglichkeit, die eigenen Träume zu begutachten. Tut man das öfter, sind die Traum-Botschaften stetig klarer und werden leichter durchschaubar. Und wenn man nicht ungeduldig ist (mit sich selbst), oder begrenzende Erwartungen hegt, dann lernt man sich wahrhaft näher kennen, lieben, wertschätzen und stetig mehr dankbar zu sein. Letzteres gilt vor allen Dingen für das Entdecken dieser Fähigkeit, mit sich selbst, mit der Seele ins Gespräch zu kommen, mittels Bildern zu kommunizieren, insbesondere in schwierigen bis unerträglichen Situationen  und Erfahrungen des Lebens.

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In einer Phase des Lebens, in der ich mich noch sehr schwer damit tat, mein eigenes Leben anzunehmen, wie es war,  hatte ich mehrere Probleme. Diese Probleme brachten wiederum mit sich, dass das Verstehen wollen in mir kaum zu Ruhe kam. Am Tag war ich also nicht ansprechbar, somit blieb nur die Nacht für die Bereitstellung von Informationen, die mir im Leben zur Akzeptanz der Umstände fehlten.

Nun habe ich für mich erkennen können, dass je enger meine geistige Haltung dem Leben gegenüber war, also je mehr ich das Unbekannte und Wunderbare in Gedanken und somit aus meinem Leben ausschloss, umso dunkler zeigten sich dann die Träume. Nicht der Inhalt des Traumes in sich war dann dunkel, sondern vielmehr fanden die dargestellten Situationen vor einem absolut schwarzen Hintergrund statt. Stets sah ich im Traum aus dem Dunkeln in das Beleuchtete, dabei war ich nur Augen, die ich selbst nicht sehen konnte. Alles Wesentliche in der Traumszene ist in diesen Träumen, dann in nur wenigen Farben und ganz klar dargestellt, sodass man irgendwie nach dem Aufwachen relativ schnell weiß, worum es in dem nächtlichen Traum ging. Die Seele hat dann im Innersten geklingelt und der Mensch sich ihr geöffnet.

Meist sah ich nur mich selbst im Traum, also einen kleinen Menschen, der wie ich aussah und eine weitere Person, mit der ich mich auf irgendeine Art und Weise im Konflikt befand. So war ich damals zum Beispiel meiner Mutter nicht grün. Es gefiel mir nicht, wie sie dachte und mich mit diesem Denken beeinflussen wollte, ihr in die Spur zu folgen. Ich war bereits Ende 30 und wusste schon, dass sie ernstlich glaubte, dass Beste für mich zu tun. Wie manche Töchter sah ich das Leben jedoch anders, konnte dies allerdings noch nicht derart verständlich ausdrücken, dass der Mutter ein Blick durch meine Augen gelang. Und genau in dieser Zeit hatte ich in einer Nacht diesen Traum, der mir zuerst sehr seltsam daher kam. Er blieb auch nach dem Aufwachen am Morgen in Erinnerung, weil er so direkt auf mein Leben angespielt hatte und durch den schwarzen Hintergrund, welchen man ja auch als eine gewisse Aussichtslosigkeit deuten kann.

Im Traum sah ich wie meine kleine Person, rechts im halbdunklen Vordergrund von einer schwarzen Gestalt bedroht wurde. Nur etwa 20 Meter entfernt und unter einer Straßenlaterne vor einem Haus, stand meine Mutter am Rand des Bildes links, mit mir zugewandtem Rücken. Dabei befand ich mich  wohl auf einem Berg und blickte aus dem Dunkeln nach unten, in die – wie von einem Scheinwerfer punktgenau beleuchtete Kulisse.

Meine Mutter rief einen Namen in die Dunkelheit vor sich und hörte mein Rufen um Hilfe gar nicht. Ich bemerkte, dass der Abstand zwischen der Gestalt und mir, nicht geringer wurde, fühlte jedoch weiterhin Angst, sodass ich wieder nach der Mutter rief. Doch diese war beschäftigt damit, einen Pudel zu tätscheln, der wiederum ihrem Ruf – sofort gefolgt war. Nachdem die Beiden im Haus verschwanden und das Licht hinter der geschlossenen Tür der Dunkelheit wich, wachte ich auf. In Wirklichkeit hat meine Mutter keinen Pudel, das schicke ich schon mal voraus.

Mit dem Öffnen der Augen konnte ich sofort fühlen, dass dieser Traum mir etwas deutlich machen wollte. Erst war ich natürlich ein bisschen empört, dass meine Mutter dem folgsamen Pudel im Traum näher stand als mir, doch dann wurde mir klar, dass es andersherum genauso war. Wirklich nah ist mir das alltägliche Leben, mit all den Vorkommnissen und Menschen darin. Meine Mutter kam nur noch selten darin vor. Die Festtage hatten in den zurückliegenden Jahren, künstlich den familiären Kontakt im Leben gehalten. Überwiegend empfand ich damals die Besuche daheim – wie ein ununterbrochenes Rechenschaft dafür abgeben müssen, dass mein Leben nicht derart verlief, wie es die Mutter und der Stiefvater für mich andachten und wünschten. Also forderte mich der Traum zum Nachdenken auf, nachdenken darüber, wir wenig mir zurzeit über den Alltag desjenigen Menschen bekannt war, der mir wahrhaft immer noch am allernächsten stand. Jener Mensch, der mich in das Leben gab.

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Es ist stets ein Thema aus dem eigenen Leben, zu dem wir – in welcher Form auch immer – Zusammenhänge aufgezeigt bekommen, weil der Mensch Fragen gestellt und um Lösungen gebeten hat. Die Zeit, die ich mir gab, um die Botschaft des Gezeigten fühlbar zu verinnerlichen, hat sich in vielfacher Hinsicht gelohnt. Das beiderseitige Verhältnis ist heute liebevoll. Seit ich wieder mehr über das Leben meiner Mutter weiß, ist sie auch viel offener – für so manche Sichtweise meinerseits. Ich liebe sie für diese Offenheit und kann mir heutzutage keine passenderen Eltern im irdischen Leben mehr vorstellen, als ich sie bekommen habe. Das war längst nicht immer so. Doch kann ich letztendlich nur sein, wie ich bin, weil sie mir die Pforte in das Leben waren, insbesondere meine Mutter natürlich. Den Vater liebe ich ebenfalls, auch er ist allemal für mich einzigartig passend.

In den Träumen, die dem vorgenannten folgten, war ich dann stets allein mit jener bedrohlich wirkenden schwarzen Gestalt, die meine kleine Person nun stets sichtbar verfolgte und über schmucklose Wege trieb, bis zu einem dunklen Abgrund hin. Jedesmal wenn ich am Abgrund ankam, der noch schwärzer aussah als alles Andere im Hintergrund, drehte ich mich um und sah die Gestalt mit einem spitzen, langen Dolch in der erhobenen Hand, nur noch knapp drei Meter von mir entfernt sich bewegen. Die Gestalt trug eine Maske, so konnte ich niemanden erkennen.
Gleichartiges träumte ich fünfmal in kürzer werdenden Abständen. Viermal bin ich in den Abgrund gesprungen und wachte dann im Bett auf. Beim fünften Mal erinnerte ich mich direkt im Traum daran, dass ich in einem Traum war und blieb stehen. Die Gestalt kam näher und in dem Moment, indem ich ihr die Maske vom Gesicht ziehen wollte, löste sich der Spuk auf. Mein Wachbewusstsein sank danach unmittelbar in den Schlaf. Ich schlief tief und fest in dieser Nacht, wie schon lange Zeit nicht mehr.

Im Traum hatte ich mich der Gefahr gestellt, weil ich wusste, dass man im Traum nicht wirklich stirbt. In keinem Traum habe ich mich sterben sehen, stets lösten sich nur jene Gegebenheiten auf, die mein Leben bedrohten. Alles ist dort nur eine Art Bühnenshow, die in mir selbst stattfindet, um meine Aufmerksamkeit auf Irrtümer meines tatsächlichen Leben zu lenken und auf alles Offensichtliche darin. Ab diesem Tag begann ich mich für den Gedanken zu öffnen, dass in einem menschlichen Leben – tatsächlich nichts unmöglich ist. Und meine Ängste reduzierten sich auf ein lebensnotwendiges Minimum, gebildet nach eigenem Ermessen.

Mit der zunehmenden Offenheit gegenüber anderen Sichtweisen, das eigene und auch allgemeine Leben wahrzunehmen, wurde der Hintergrund in den Träumen heller. Nun konnte ich all meine Probleme in weiteren Blickwinkeln begutachten und währenddessen wurde manches durchsichtig.

Ich schlief weiterhin gut und dementsprechend änderte sich der Inhalt und auch die Form der Träume. Der nun sichtbare Raum wurde größer. Es kam Landschaft hinein, Höhe und Horizonte, natürliche Farben und Sonnenschein. Auch waren die Träume mehr vorausschauender Art, da ich im Alltag keine Probleme mehr wahrnahm, die mir als unlösbar erschienen.

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Vorstehende Gedanken habe ich aufgeschrieben, um mir selbst zuzuhören und auch mit dem Ansinnen Menschen anzuregen, sich wieder mehr den Botschaften aus ihrem Innersten zuzuwenden. Und wenn so mancher glaubt, dass er keine Träume hat, könnte ihn schon die heutige Nacht – überraschend heimleuchten. Ich wünsche es dir mit ganzem Herzen.

Danke fürs Teilhaben, dein Verständnis und alle Besinnlichkeit für das eigene Leben, mit allem darin – was du liebst, in Schwung und locker hältst und natürlich dir selbst.

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Inspiriert zum Durchschauen, der selber erfahrenen Traumgalerie – wurde ich durch diesen Denkanstoß – der mir fühlbar bewusst machte, dass nur in den eigenen Träumen, alle Theorie in die Praxis führt. Eine Praxis, in welcher der – im Licht des Tages – von der Seele empfangene Traum – umgehend beginnt Gestalt anzunehmen. Als Beobachter nimmt man daran teil, wie alle Details zueinander finden, solange Gelassenheit unsere wesentliche Führungskraft im Gegenwärtigen bleibt. Die Liebe ist sowieso immer mit dabei, vollkommen bedeutungslos – ob man es nun wahrnimmt oder ignoriert.

 

Fortsetzung folgt … 

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