Klar leben wir
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Kraft strömt ein, erfüllt das lebendige Gefäß, welches der Mantel jenes Geistes ist, der den sanften und auch manch wilden Ritt in des Menschen Leben spinnt, oft ungerufen und dennoch stetig passend. Im Geist des Menschen werden dessen Flügel gewoben und lägen auf dem Wege keine Hindernisse, wüsste man von den eigenen Flügeln gar nichts.
Während es moralisch verwerflich ist, auf „Kosten der Anderen“ zu leben, scheint es vollkommen unbedenklich, dass wir, die Menschen, allesamt und dies schon immer – auf Kosten der Natur leben. Uns dort ungefragt bedienen und untereinander dieses, in vielfältige Form gedachte Recht, auch noch streitig machen. Warum leben wir überhaupt und kann es wirklich die Wahrheit sein, dass der Mensch nur geboren wird, damit er das taube Leben der Toten nachlebt? In mir gibt es einen Punkt, der sich mit dieser Vorgabe schon längere Zeit, nicht mehr vertragen kann. Ein Funkeln ist es, das sich mit der vorgefundenen Welt stetig weniger identifizieren mag und nicht mehr mit halten will, was allein weder stehen noch laufen kann. Doch wer bin ich und wo führt mich der Weg hin, wenn ich die Autobahn verlasse, welche angeblich den sichersten und schnellsten Weg zum Ziel darstellt? Was ist mein Ziel? Zu leben und zu sterben? Wie kam ich nur dahin, derart zu denken und dementsprechend eine Tradition fortzuführen, die wohl in den seltensten Fällen das Glück im Menschen verwurzelt?
Ich erinnere mich. Die Information war im Raum, bevor ich geboren wurde. Man versagte sie mir nicht, denn zu wissen, dass ein Ende unvermeidlich ist, regt des Menschen Verstand an Entscheidungen zu treffen, was die unmittelbare Gestaltung des endlichen Lebens anbelangt. So traf ich die Wahl in beruflicher Hinsicht, legte Kriterien für eine Partnerschaft fest, plante spät bis gar keine Kinder und wünschte mir, mindestens noch 10 Jahre als Rentnerin zu genießen, um auf ein bis zum Ende erfülltes Leben blicken zu können. Ohne Hemmungen wollte ich meinen Verstand und den Hauptteil aller Lebenskraft einer Arbeit widmen, für die ich mich begeistern konnte, die mir nützlich sowie befriedigend erschien und dementsprechend auch gesellschaftlich Anerkennung finden würde. Eine Arbeit, deren Grundlagen ich erlernen würde und deren Ergebnisse gebraucht wurden und somit ebenfalls ich, also jener Mensch, der ich glaubte zu sein. In den 10 letzten Jahren (von ca. 75 angedachten), die mich planmäßig zum Ende führen sollten, wollte ich dann nur noch all das tun und sein lassen, was mir zuvor moralisch und zeitlich bedingt, scheinbar nicht möglich war. Zum Beispiel im Bett bleiben, solange es mir beliebte, lesen, lernen, essen wonach mir der Sinn stand, ohne Kalorien zu zählen, und reisen wollte ich, dorthin wo Palmen wuchsen und der Schein der Sonne, für das Volk darunter, ein gewohnter Anblick des Tages war.
Unbewusst verschob ich also auf später, was all meine Sinne und das Herz erleben wollten, denn so war das Leben nun mal, hatte ich gelernt. Ich verschob mich, um zuvor allen Rollen gerecht zu werden, welche die Gesellschaft mir zusprach und die ich zwar nicht bedenkenlos, doch freiwillig annahm. Selbstverständlich weiß ich, alles lag in meiner Verantwortung und ich beklage mich nicht.
Der Beruf, den ich mir als Kind erträumte, war für mich bald nicht mehr verfügbar. Die erste romantische Liebe suchte mich frühzeitig heim, Zuwachs stellte sich ein, sodass zusätzlich ein Familienplan gebraucht wurde. Pflichtbewusst erzogen und perfektionistisch veranlagt, blieben mir ab da weder Zeit noch Raum, um an der Verwirklichung des beruflichen Traumes direkt weiter zu knüpfen. Der gute Wille war zwar vorhanden, doch die Kraft ließ sich nicht beliebig aktivieren und auch der Verstand konnte wegen permanenter Überfüllung, jahrelang nur bedingt Hilfe leisten. Die Abweichung vom Plan hatte mich aus der früh gewählten Bahn geworfen und eine Weile trudelte ich irgendwie mit dem, was nun mein Leben war. Dann geschah das 3. Mal etwas, das vom Plan abwich, die Ehe wurde geschieden. So stand ich zu zweit allein und dies in einem Leben, von dem ich nie geträumt hatte. Statt aus den Umständen das Beste zu machen, ging ich einen Schritt zurück und heiratete erneut. Auch für diese Ehe gibt es ein lebendiges Zeugnis, die Ehe jedoch, der das Kind entsprang ist Vergangenheit. Innerhalb weniger Jahre war ich vom eigenen Weg abgewichen, hatte einen Fehler zweimal gemacht und meine Verantwortung für das Leben verdreifacht. Hätte mir damals ein Mensch mitgeteilt, dass all die versteckten Vorwürfe, bezüglich meines offensichtlichen Versagens, welche mir von der Familie und später sogar von den Kindern zugesprochen wurden, lediglich meiner Selbstwahrnehmung entsprachen, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit meinerseits – nur ein irres Lachen die Antwort gewesen.
Wie man sich selbst aufklärt
Es gibt Gerüchte in der Welt, dass alles, was der Erdling sieht und ihm allgemein im Leben begegnet, lediglich der Ausdruck dessen sei, was der Mensch an Ideen, Bildern, Gedanken und Gefühlen in sich vorbelebt. Also in sich selbst wahrnimmt, was er dann auch außerhalb von sich wahrnehmen will. Denn, was ich nicht will, das interessiert mich auch nicht, dem schenke ich keinerlei Aufmerksamkeit, sonst wäre ich doch kontraproduktiv oder einfach ausgedrückt blöd und ein Verschwender dazu. Wesentlich netter klingt dagegen jene Umschreibung, dass ich wahrscheinlich nicht ausreichend aufgeklärt wurde.
Nun ist es jedoch so, dass meine Eltern mich sehr wohl aufklärten. Allerdings hatte jenes, was sie klärten auf in mir, mit der Aufklärung, die ich heute genieße, gar nichts gemein. Vielmehr wurde ich damals eingewiesen und schamhaft informiert, bezüglich Sinn, Zweck und Folgen des Geschlechtsverkehrs. So nahm ich auch jahrzehntelang an, dass mit dem sogenannten „Zeitalter der Aufklärung“, der Fall von so manchem gesellschaftlichem Tabu zum Thema Sex gemeint war. Später entdeckte ich dann, dass auch von Aufklärung die Rede ist, wenn es in der Vergangenheit um religiöse Belange ging, insbesondere das Verhältnis zu und die Wahrnehmung des Menschen von Gott.
In den letzten Tagen habe ich sehr oft den Himmel beobachtet. Alles Treiben darin, die gleitenden Wolken, der faszinierend weiche Kontrast der Farben Weiß und Blau. Ich sah Raben, Amseln und einen Storch fliegen, Enten, Möwen und Schwäne machten mich durch Rufe aufmerksam. Es gab stets mehrere Bewegungen im Bild, manche waren sanft andere kraftvoll. Wolken tauchten aus dem Nichts auf, schwebten weiter und manchmal war der Himmel auch einfach nur strahlend blau und endlos weit. Dann hatte sich zuvor unerwartet alles aufgeklärt. Kein Mensch kann die Wolken festhalten, jedenfalls nicht im Außen.
Alles klärt sich auf in jenem Leben, das mir alltäglich neu und ohne Vorurteil oder Pflicht gegeben wird, direkt in mein Innerstes. Ich seh die Geber nicht, werd mir der Gabe stets erst gewahr, wenn das nackte Ich in mir erwacht. Es kann die Augen öffnen, ohne zu wissen oder etwas rechtfertigen zu müssen. Die unsichtbare Kraft ist verfügbar, einzigartig und dennoch kostenlos, und nur der Ich-bedingte Wille kann mich davon abhalten, die Glieder zu bewegen, in den Tag zu gleiten und diesen zu gestalten, wie es mir beliebt sowie zu lieben, was ist.
Alles, was im Menschen ist, kann ihm nicht genommen werden, lediglich überlagert, mit jenem, was er als Unveränderlich annimmt und beharrlich hütet, wie einen Schatz, dessen Glanz schon vor langer Zeit unwiderruflich verblasste.
Dieser nun glanzlose Schatz birgt auch keine Juwelen, Gold oder Leben, sondern ist lediglich eine Sammlung von Ideen, aus denen sich Programme entwickelten, welche die Sinnhaftigkeit, der ursprünglich tragenden Idee, berauschend gut ausblenden. Doch ist es allemal der Sinn, welcher unsere Herzen freudvoller pochen lässt und den Glanz in unseren Augen heimisch macht.
Ein Beispiel zeigt sich in der Idee des Jesus Christus, jeden Menschen derart zu lieben, wie sich selbst. Eine wahrhaft schöne Idee, welche all den Frieden beinhaltet, nach dem sich die Menschen und dies selbst in Friedenszeiten, lautstark sehnen. Was wohl überwiegend daraus resultiert, dass sich weltweit nur wenige Menschen, wahrhaft selbst zu lieben wissen. Vielmehr auf ihre Fehler starren, an diesen mit Ausdauer hängen und jene dann prompt, anstatt der Liebe, auch in ihrem Nächsten wahrnehmen und benennen.
All dies geschieht aus Unwissenheit, denn welcher Mensch bringt nach herkömmlicher Erziehung, den Gedanken des Liebens – einfach mal so – mit sich selbst in Verbindung? Ich tat es nicht, bis mir nur noch diese eine Liebe blieb. Also das Leben in mir blieb, obwohl ich es aus meiner Sicht, gar nicht verdiente. Es ließ mich nicht los, nur sein. Erst dann gab ich mir Raum und Zeit, all jenes in mir kennen zu lernen, was ich wirklich bin und war. Ich bin noch lange nicht fertig und das ist wunderbar.