Werktätige Dichter

von Luxus Lazarz

„Dichter sind das dritte Auge und das Herz eines Volkes, Politiker dessen Verstand. Wer drei Augen hat, braucht nichts mehr bedenken, doch ohne Herz, kommt keiner weiter. „*

 

Vor ein paar Wochen, las ich in einem Blog ein Zitat, welches Wilhelm Busch zugeschrieben wird. Das Zitat lautete: „Wer leben will, muss etwas tun.“ Er sagte nicht, „Wer essen will, muss arbeiten.“, wie es mancher Politiker stellvertretend für das Volk kundtut.  Er war ein Dichter mit Herz, dieser wahrlich und tatsächlich genial begabte Maler und Dichter, namens Wilhelm Busch, aus dessen Büchern mir  die Omi in der Kindheit vorlas. Vor etwa 10 Jahren, habe ich mir auch sein dokumentiertes Leben genauer angesehen. Mit Erstaunen las ich damals, dass sein Max-und-Moritz-Buch, das am häufigsten in andere Sprachen übersetzte und verkaufte Kinderbuch darstellte. Und ich bemerkte, dass zum Beispiel die japanische Ausgabe echt seltsam aussieht, weil ja die Schriftzeichen dort, wie eine Zeichnung unter Zeichnungen wirken. Doch ich schweife ab.

Bei den Nachforschungen wurde ich ebenfalls dessen kundig, dass es Wilhelm Busch viele Jahre gar nicht leicht fiel, seine Kunst zum angemessenen Preis zu verkaufen. Wie viele Künstler seiner Zeit und auch all der anderen bekannten Zeiten, die folgten bis heut, gelang es ihm lediglich, sich über dem sprichwörtlichen Wasser zu halten, da er auch Lohnarbeiten fertigte, welche dem Geschmack der zeitlich bedingten Mode entsprachen. Sozusagen Moder für die Verbraucher, ohne Wert für die Nachwelt.

Sein Kinderbuch „Max und Moritz“ war allerdings kein Moder. Jenes Manuskript konnte Wilhelm Busch an einen Verlag im süddeutschen Raum für 1000 RM verkaufen. Eine Summe, die sich für damalige Gegebenheiten sehr hoch anhört. Doch schrieb Wilhelm Busch in ein Tagebuch, dass es nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein gewesen sei, da er als Künstler stetig auf Pump leben musste, und selbst die kleinsten Summen sofort aufgesogen wurden von jenem, was ihn von hinten unterstützt hatte. Dafür machte ihn sein Kinderbuch bekannt und irgendwann gelang ihm dann, der Sprung ins goldene Land. Er entwickelte sich zum weltweit anerkannten Künstler und seine Werke wurden auch dementsprechend bewertet. Rein äußerlich war er ein einsamer Mann, doch in seiner Fantasie, war Wilhelm Busch nie ganz allein. Denn alles Leben ist ja in uns, bevor es in der Welt Gestalt annimmt.

Hier lass ich die Jahreszahlen und andere unwesentlichen Daten weg, weil es mir nicht um die Zahlen geht, sondern um jenen Geist, der im Hintergrund Leben ausschreibt. Diesen Geist gab es schon vor uns und ebenfalls vor den Gestrigen. Er bewegte den Menschen zum * sowie im Leben, und dies tut der Geist in jedem Moment, der jemals in unserem Bewusstsein erscheint. In welcher Art und ob weise, wählt der Mensch selbst, auch dann, wenn er dem Rat oder Vorbild eines Anderen folgt. Es gibt nämlich gar kein Muss, sondern vielmehr ein unglaubliches Kann, welches das Muss sich zum Gesellen erwählte, anstatt der eigenen Vorstellungskraft. Kraft, das Wort mündet in Kraft!

Es fühlt sich an, als hätte sich vorstehend der Wilhelm Busch direkt durchgeschrieben. Oder auch  jener frische Geist, der Wilhelm Busch zu jenen Werken bewegte, über die Mensch heute noch spricht. Alles ist möglich, die Tore sind offen, zumindest im Innersten, nun weiter im Text. Ach, doch nicht. Da strömt schon wieder was.

„Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen“, doch wer darüber nachdenkt und darüber spricht, tut es bereits. Denn ob ich etwas will, oder nicht will, in der Vorstellungskraft zeigt sich mir beides. Ich nehme bewusst und aufmerksam wahr. Jedes Mal bleibt am Ende nur die Kraft, welche alles erschafft, was ihr vorgestellt wurde.

Nun gut, Letzteres weiß der aufgeklärte Leser bereits aus eigener Erfahrung, doch mir geht es wahrhaft, um eine andere Erkenntnis, welche mich vieles einsehen lässt, was ich zuvor nicht beachtet hab. Ich denke, dass das Ausformulieren der Erkenntnis, somit dem goldenen Faden folgen, wie immer Türen öffnen kann, da durch die Klärung, mehr Raum für Licht bereitgestellt wird. Also für den Empfang von, was auch immer man wünscht und will. Das ist aber wieder eine andere Einsicht und nun fließe ich weiter im Text.

Zusammengefasst und ausgeführt: Ein Mensch, nämlich Wilhelm Busch, schrieb und zeichnete das Buch „Max und Moritz“. Der Titel ist heute noch eingängig. Der Künstler bekam 1000 RM für sein Werk und der Verlag in den Besitz einer Ware, welche Einnahmen für ein Jahrhundert und darüber hinaus generierte. Generationen haben an der Idee des einen Menschen verdient, konnten ihr Brot bezahlen, weil sie auf irgendeine Art, mit dem Buch beruflich in Verbindung kamen. An erster Stelle natürlich der Verleger, die Verlagsmitarbeiter und dann die Kette, Glied für Glied, weiter bis zum Postboten, der das Buch heutzutage an der Haustür abliefert. Selbst dieser hat noch einen Nutzen, von der einen Idee aus vergangenen Jahrhunderten.

So kann man das Buch und dessen Wirkung, aufrichtig als ein Doppelwerk bezeichnen, welches offensichtlich außerordentlich wertvoll ist, da es nachhaltige Wirkung im Außen und Inneren der Menschen zeitigt. Denn wäre des Buches Inhalt nicht von Wert, würde es kaum noch heutzutage Leser anziehen und hätte sich lediglich verkauft, solange die Werbetrommel bemüssigt wurde. Die Bilder und Texte des Wilhelm Busch enthielten jedoch für die Lesenden und Hörenden Botschaften, welche Einsichten bezüglich des eigenen Lebens anboten. Ein Wert, der wahrlich nicht bezifferbar ist. Nicht jede Erfahrung muss nachgelebt werden, um an deren Essenz zu kommen. Dafür gibt es das Mitgefühl. Somit hatte sich der Wilhelm Busch seinen späteren Wohlstand, in jeglicher Hinsicht verdient, denn er hinterließ etwas, was Generationen in aller Welt beeinflusste und beeindruckte, zur Veränderung oder Nachahmung anregte und somit nicht nur die Art des kindlichen Menschen, dieses Leben zu bedenken und wahrzunehmen, erweiterte.

„Max und Moritz“ war in der Kindheit eines meiner Lieblingsbücher. Seltsamerweise empfand ich damals überhaupt kein Mitgefühl, beim schrecklichen Ende der tolldreisten Knaben, doch dafür umso mehr für deren Opfer. Was mir als Kind ein relativ leichtes Leben ermöglichte, denn ich hatte Achtung vor den Älteren, die mir halfen zu wachsen. Erst viele Jahre später wurde mir dann bewusst, dass das Ende des Max-und Moritz-Buches außerordentlich brutal war. Und so entfernte ich es aus meinem Bücherschatz.

Im weiteren Leben kam ich in den letzten Jahren, vermehrt mit Menschen meiner Generation in Berührung, die andere Kinderbücher gelesen hatten, wie zum Beispiel „Pippi Langstrumpf„. Während ich im Alter von 12, lediglich „Susanne aus der Sonntagstraße“ Aufmerksamkeit spendete, ein Kinderbuch für junge Pioniere in der ehemaligen DDR, welches jede Art von Eigensinn bereits im Keim erstickte. Denn in dem sozialistischen Staate galt, dass der Einzelne nur so viel Wert war, wie sein Nutzen und Tun für das Kollektiv in dessen Gesamtheit. Worin ein Nutzen und die Tat sich ausdrückten, wurde weitestgehend vorgeben. Somit hing der Selbstwert des Individuums, scheinbar stets vom Maß des Kollektivs ab. Kein fruchtbarer Nährboden für eigene Wertschätzung.

Die Pippi-infizierten Frauen zeigten sich dementsprechend, auch ganz anders als ich, denn alle hatten ein mich beeindruckendes Selbstbewusstsein und waren darüber hinaus als selbständige Unternehmerinnen tätig. Somit hat auch Astrid Lindgren, wie wir nun alle wissen, etwas sehr Wertvolles mit ihren Büchern in die Welt gepflanzt. Dies waren jedoch weder ihr Kummer, Leid oder Schmerz, noch irgendwelche schrägen Sorgen, sondern vielmehr ihre Ansichten und Vorstellungen für das kindliche Dasein von Heute und allzeit. Das Erwachsen des Kindes frei von Maßregelung, in Fülle und Geborgenheit, niemals am Wert des eigenen Daseins zweifelnd, sich zu einem selbstbewussten Menschen entfaltend. Einer, der mitfühlt, was ist und zugleich oder dennoch seiner Intuition folgt. Lebt, was ihm in den Eigensinn kommt und nicht, was der Fernseher allabendlich aufgewärmt serviert.

Heute nun ist mir bewusst, dass das frühe Verinnerlichen der Hinweise im Buch „Max und Moritz„, mit hoher Wahrscheinlichkeit mich und ungezählt viele andere Kinder vor Schaden bewahrte, wenn nicht sogar unser Leben rettete. Weitestgehend ging ich ohne Widerstand durch die Kindheit, vertraute meinen Hütern bis zur Pubertät und blieb dadurch unbeschädigt. Alles, was danach an Schaden eintrat, tat ich mir selbst an. Indem ich meine Vorstellungskraft bemühte, mir zu bringen, was meine Aufmerksamkeit fesselte. Ein Traum von schönem Leben, der letztendlich enttäuschend war. Erst der Traum von eigenem Leben, hat die Türen wirklich geöffnet. Jene Türen, hinter denen ein frischer Geist weht, der Wertvolles durch die Natur und auch den Menschen sichtbar und begreiflich macht.

Denken wir an die Harry-Potter-Bücher, der J. K. Rowling, ist auch deren Wert leicht erkennbar. Nicht nur, dass der Stil und die Story unglaublich fesselnd sind, die Bücher eröffnen dem Menschen einen weiten Einblick in das Zauberreich der Fantasie. Auch derart, dass vieles fühlbar wird und man es beinahe – wie Echtes – wahrnimmt. Wenn wir die wilden und dunklen Kampfszenen außer Acht lassen, erinnern diese Bücher nicht nur Kinder, sondern auch deren Eltern daran, dass unser aller Leben wahrhaft Zauberhaftes beinhaltet. Insbesondere wenn wir etwas tun, was unser Herz erfreut. Tun, um zu finden, zu empfinden, was uns zufrieden, freudvoll und glücklich macht sowie dankbar, dankbar für alles, was ist, jetzt.

Wenn der Mensch sein inneres Kind durch sich zaubern lässt, wird jeder Schatten vertrieben. Die Welt erhellt sich, Freude und Heiterkeit erfüllen den Raum. Die Möglichkeiten wechseln ihr Gesicht, alles erscheint überraschend leicht und passend zu sein. Das Kind in uns ist der frische Geist, der die Welt mit einem Lächeln aus ihrer Erstarrung löst.

 

 

* Zitat von Wilbuh Schelm