Schön anders gedacht

von Luxus Lazarz

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Heute Morgen erwachte ich erst gegen 9 Uhr. Ich erwachte von der Stille berührt, die mich umgab. Es ist ein Dienstag und sonst herrscht hier, wochentags ab 7 Uhr in der Früh bereits reger Betrieb. Doch heute war es anders und statt dieses Anders, freudig anzunehmen, hat es mich beunruhigt. Und da ich keine Ahnung hatte, dass es schon nach 9 Uhr war, blieb ich noch eine Stunde liegen. Auch nahm ich – auf Grund der alles durchdringenden Stille – an, dass der Arbeitstag um mich herum, noch nicht begonnen hatte. Diese Stunde genügte, um mich so richtig, durcheinander zu bringen. Eine Millionen Vermutungen und unwesentliche Gedanken haben mich locker passiert. Nun weiß ich wieder, wie ich mich noch vor wenigen Jahren fühlte und dass der Wahnsinn einst alltäglich – mein Denken beherrschte.

Denn in ungezählten Tagen meines Lebens, zeigte sich so manches mehrfach anders, als ich es zuvor gewohnt war. Ob sich ein Mensch – einfach anders verhielt, eine U-Bahn nicht so fuhr, wie angekündigt oder gar nur ein Gefühl und Vermutungen, meine Sicht vom Tag veränderten, das Anders – war mir selten bis nie Willkommen. Beinahe routiniert, sah ich für mich – sofort den Nachteil darin. Dass in dem Anders, auch ein Vorteil stecken könnte, kam mir erst gar nicht in den Sinn. Kein Wunder, dass mir deshalb über Jahrzehnte hinweg, das Anders stets gegen den Strich ging, mit dem ich sonst die Episode hätte abhaken können und Weiterschreiten * im gewohnten Plan des Tages.

Um mich beim Anblick des Anderen, nicht mehr aus dem Gleichgewicht zu stoßen, begann ich nach dem Schönen, in allem zu suchen. Es funktionierte. Je mehr Schönes ich wahrnahm, um sehr mehr wurde mir bewusst, dass auch das Andere schön sein kann. Nun gibt es die bekannten Worte: Schön ist, was gefällt. Das klingt zwar banal, doch in der Erfahrung, zeigt es sich tatsächlich häufig dementsprechend. Denn schön ist auch, was uns selbst durch ein Lächeln verschönt. Das kann ein Blick bewirken, doch auch nur ein heiterer Gedanke, der sich heimlich in unsere ernsthaften Bedenken Einlass verschafft.

Der Mensch ist also alltäglich, nicht nur vom Schönen umgeben, er kann es darüber hinaus – auch stets in sich finden. Sich dessen bewusst zu sein, ist eine andere Art zu denken, jedenfalls anders als ich es gelernt habe und bis zu meinem 37. Erdenjahr energisch praktizierte. Es dauerte 13 Jahre bis sich das anders-Denken, in mir so eingewurzelt hatte, dass ich mich selbst wie einen anderen Menschen wahrnahm, als es zuvor der Fall war. In den 13 Jahren lernte ich, mir selbst und dem Heiler in mir zu vertrauen. Ich gab mir selbst Halt und Sinn im Leben, weil ich in mir die Gewissheit fühlte, dass es das Beste war, was ich hier auf Erden überhaupt jemals tun konnte. Und zwar mit Freude, wie sonst? In den vergangenen zweieinhalb Jahren wiederum, versuchte ich weiter in mir zu klären, wie ich mich, mit der gegebenen Welt in Harmonie bringen kann.

Dabei bin ich mir bewusst, dass ich allein bin, mit den Vielen, die eine andere Art zu leben kreieren, durch Stille, Liebe und Einsicht in jenes, was wahrhaft ist. Es gibt uns und keiner ist allein – ohne Schutz. Das ist wahr und fühlbar im Jetzt.

Jene Stille, die mich heute am Morgen beunruhigte, endete keine halbe Stunde nach meinem Aufstehen radikal. Es hämmerte, sägte, hupte und telefonierte bombastisch, um mich herum, nur durch eine Wand getrennt, während ich verwirrt am Fenster stand. Dort blickte ich auf eine grüne Wiese, in der sich der Löwenzahn hemmungslos ausbreitete und konnte, den mich umgebenden Lärm – nicht sehen, doch hören. Als der Lärm etwas abflachte, erzählte ich meinem Freund, was mich alles an der Wohnsituation störte. Er stimmte mit ein und der Lärm im Außen nahm erneut zu, weshalb wir wieder für eine Weile verstummten. Das wiederholte sich zweimal. Doch in der Stille, der dritten Stummheit, stiegen Gedanken in mir empor, die mich erst zum Staunen und dann zum Lächeln animierten. Mir wurde bewusst, dass ich dabei war, ein Muster wieder zu beleben und selbst alle Folgen reanimierte. Meinen Freund hatte ich schon angesteckt, nun galt es ihn zurückzuholen, bevor die Dinge einen ungünstigen Lauf nahmen. Scheinbar gelang es, denn eine Stunde weiter, verließ er zuversichtlich das Haus.

Ich räumte nun auf, tat das Übliche und um mich herum erklangen ein paar Geräusche, doch überwiegend war es still und nichts störte in mir. Dann begann ich zu schreiben, was mir stets Stille schenkt, oder die Geräusche dringen nur gedämpft bis gar nicht, an meine Ohren vor. Zwischendurch stand ich einmal auf und genau in diesem Moment klingelte das Telefon. Es war der Freund, der mir mitteilte, dass er sich vor der Haustür, doch noch einmal über etwas Anderes geärgert hätte. Dann sei er mit diesen Gedanken in das Auto gestiegen und etwa einen Kilometer weiter, nur knapp einem Unfall entgangen. Er sprach sich dafür aus, uns nun wahrhaft und tatsächlich, nur noch auf das Schöne und Nützliche zu konzentrieren. Ich stimmte dem zu und das Gespräch endete dann.

Wieder am Schreibtisch zurück, zog ich für mich einen Schlussstrich, unter den Beginn des Tages und vergegenwärtigte mir noch einmal, was wirklich passiert war. Ich bin am Morgen in einer anderen Welt erwacht, in der es still war, solange ich schlief, auch an einem Dienstag. Das hatte mich beunruhigt, denn ich konnte mir die Stille nicht eindeutig erklären. So war ich durch einen Notausgang in die alte Welt zurückgeeilt und hatte drei Stunden am Chaos mitgewirkt. Bis ich es einsah und selbst Energie und Tempo aus dem Geschaffenen nahm. Die Situation hatte letztendlich befühlt, einen wunderbaren Hintergrund. Denn mir fiel die Entdeckung zu, dass diese Tür jetzt immer offen ist und ich ganz nach eigenem Belieben, wahrhaft nur sein kann, wo ich mich mittels Gedanke und Gefühl hinein, oder mit Stille hinausziehe.

 

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Welch ein wunderbarer Tag und Dankeschön für all die anderen Welten, welche zu entdecken, stetig leichter gelingt.