Der brauchbare Mensch

von Luxus Lazarz

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Es kommt vor, dass der Mensch – was er glaubt zu brauchen, mit dem verwechselt, was er denkt zu wollen. Wenn ich glaubte, etwas zu brauchen, war das Erlangen des Gebrauchten, überwiegend mit Anstrengung verbunden. Denn allein mit dem Haben des Jobs, ist es ja nicht getan. Man muss so manches dafür weiterhin tun, um ihn auch zu behalten. Insbesondere narrte ich mich gerade mit jenen Dingen, zu denen ich mich über Jahre hinarbeitete. Zum Beispiel brauchte ich auch gar keine Ehe und habe mich dennoch zweimal sehr bemüht, in diesen Hafen einzuschwimmen. Und alles hatte Eins gemeinsam, währenddessen ich dies tat, brauchte ich das Begehrte doch offensichtlich nicht. Denn, was braucht ein Mensch wirklich, um einwandfrei, fühlbar und tatsächlich, ein Mensch zu sein und dies auch selbst anzuerkennen? Seine, ihm eigene Menschlichkeit. Seele, Beherztheit und Mitgefühl. Mehr ist es doch nicht, und dies vollkommen gleichgültig, in welcher Rolle der Mensch gerade drinsteckt. Unter dem Kostüm aus Stoff und Gedanken, ist einzig Wahrheit fühlbar, ich bin * ist ein Mensch.

„Du bist, du bist, du bist, du bist – dies und das, auch wenn es dir nicht passt.“
„Mag sein,“ sagt der Mensch und denkt für sich selbst und nur für sich, weil er weiß, dass der Mensch als Mensch geboren wird, bevor er eine oder viele Rollen spielt.

„Ich bin ein Mensch“, sagt nun der Mensch und weiß gar nicht wirklich, was dies allumfassend, in der * ihm gegebenen Einzigartigkeit * denkbar, wahrhaft und tatsächlich bedeutet. Keiner weiß es. Natürlich haben wir viel gehört, gesehen und vermittelt bekommen, was ein Mensch ist und sein könnte. Doch bist du das, was du auf und in den Bildern aus aller Welt siehst? Bist du jener, der die Schwachen unterdrückt und ein Geschäft aus allem macht? Bist du das, der im Namen aller Heiligen * ein Schwert, wenn auch nur gedanklich, in seinen Nächsten sticht? Bist du jenes, was sich mit aller Welt vergleicht und keinen Eigensinn entfaltet sowie gestaltet?

Wenn nicht, wer bist du dann?

… und wenn doch, beende es in dir * jetzt und hier.

Wenn alle Menschen, ihren innersten Menschen lebendig lieben, brauchen wir nie wieder Helden.

Entdecke, wer du wirklich bist. Dann erfreue dich daran und alle Anderen gleich mit. Sei einfach, was du schon immer bist, ein schöner Mensch. Jetzt mag das Wort „schön“, dir eventuell befremdlich anmuten, doch das ist es nicht. Denke, was du bist und du kannst es zuerst fühlen, bevor du es siehst. Etwas Beharrlichkeit im Schönen, hat auch noch niemandem geschadet. Zumal das Andere, über dich und in dir,  ja ebenfalls beharrlich gedacht und oft verbunden mit Schmerz, eingefühlt wurde.

So mancher kennt den Werbespruch „Alle Schönheit kommt von Innen.“ Andere kennen auch jene Worte, „Schönheit ist die Harmonie der Gegensätze.“, die allgemein, dem geheimnisumwitterten Magier, Aleister Crowley zugeschrieben werden. Welcher neben Anderem ebenfalls behauptete, dass jeder Mensch ein Stern sei. Doch aus Gewohnheit lehnen Menschen bereits seit Jahrtausenden, das Schöne in der einen Form einfach ab, weil es ja zum Beispiel, „viel zu schön ist, um wahr sein zu können“, was sich natürlich überwiegend auf den ideellen Innenraum des Menschen bezieht, während sie es in der anderen Form * hemmungslos anbeten und über alle Maßen bewundern, obwohl offensichtlich kaum noch etwas daran wahr ist. Ein Paradoxon, wie es gegensätzlicher, nicht sein könnte. (Ich mag das Wort: Paradoxon. Es klingt witzig.)

Nun kommen erneut die Einsichten von A. Crowley mit ins Spiel.

Schönheit ist die Harmonie der Gegensätze

Schönheit ist der allumfassende Begriff für das Schöne. Schön ist also, die Harmonie der Gegensätze. Etwa in der Art, wie das Herz pumpt und presst, sich bewegt und kaum wahrnehmbar dazwischen ruht, doch niemals stillsteht, ist das eine erstaunliche Harmonie der Gegensätze, die etwas so Schönes, wie das Leben bewilligt.

Sieh an, nun habe ich mich selbst erstaunt. Der Gedanken-Satz von Aleister C., fiel mir bereits vor vielen Jahren in den Blick. Damals habe ich ihn aufgeschlürft, mit Genuss und wohligem Empfinden. Denn ich spürte, er ist tief und weit, dunkel und dennoch voller Licht. … und heute nun, so es das Leben will, bin ich noch tiefer in dessen Essenz eingetaucht und zurück mit mir kamen, vorstehende Gedanken in diese Welt. Beim nochmaligen Lesen, konnte ich mein Herz ganz deutlich fühlen, sogar den winzigen Moment der Ruhe dazwischen. Es hat mich ergriffen, doch der Atem hält mich im Jetzt.

Sieben Minuten sind vergangen, 15:51 Uhr, hab mich wieder eingeebnet, damit ich den Wandertag beenden kann.

Nun wieder ernst, oder seriös – wie der Engländer meint. Kann ich das noch, denn schon wieder hüpft ein Lachen aus mir heraus und ich fühle mich im Innersten geliebt. Aufrecht gesetzt, Haltung angenommen und weiter geht’s. In den Augusttagen hat die lichtvolle Glocke bereits dreimal bei mir angeschlagen. Es passierte jedesmal auf dem Weg zu den Brombeersträuchern und einmal, während ich mich hemmungslos, durch deren saftige Fülle arbeitete. Schweigend mich selbst und den Körper mit stillem Genuss erfreuend. Kurz beschlich mich einmal zuvor gar der Gedanke, dass das Wunder stetig um mich kreist und ich nur vergessen habe, Türen und Fenster zu öffnen, um es standesgemäß zu empfangen. Doch dann kommt es über die Hintertreppe, bis mir mein Versäumnis klar geworden ist. Jetzt weiß ich, dass geläutert und läuten etwas Lautloses ergeben. Stille Einsicht wurde mir überraschend zuteil.

Die Harmonie der Gegensätze, sah ich über Jahre nur oberflächlich. Was mir auf dem ersten Blick harmonisch erschien, blieb es auf Dauer nur im Puzzlespiel. Dabei fragte ich mich selbst schon so viele Jahre, wie man die dunklen Seltsamkeiten und das Freundliche in mir, einander annähern könnte.

Ok, die meiste Zeit wollte ich das Dunkle vernichten, es ausmerzen, totschweigen, wegradieren. Doch es blieb und war letztendlich geduldiger als ich. Das hat mir imponiert und ich hab es wertgeschätzt. Es war nun mal da, also warum nicht auch daraus * einfach das Beste machen?

Schon dieser Richtungswechsel allein genügte, um es und auch mich selbst, sanfter zu stimmen. So begann ich zu beobachten. Und ich sah, wie viel Kreativität dem Seltsamen oder auch Dunklem, in unglaublichem Ausmaß zur Verfügung stand. Während ich es beobachtete, begann es sich zu wandeln. Es wurde zum schrägen Humor und bringt mich immer noch überraschend oft zum Lachen, womit ich kaum jemanden verletze, auch nicht mich selbst. Ich denke, dass es sich weiter wandelt, bis nur noch das Lachen bleibt, welches fühlbar aus dem Körper aufsteigt, weil beinahe jeder Moment es einfach hergibt. Natürlich außer jenen, in denen ich das Stille liebe, weil es meine wahre Heimat ist. Dieser Teil in mir, den ich einst bekämpfte, verachtete und ablehnte, hat sich wahrhaft mehr und mehr jenem angepasst, was ich fühlend in mir schon immer bin und war, Mensch, genau wie du.

Wenn man bedenkt, dass auch ein einfaches Design in Schwarz-Weiß ergreifend schön sein kann, wird mal wieder offensichtlich, dass wahrhaft alles möglich ist, sogar das Unerklärbare.