Ich frag mal das Leben
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Haben Sie es auch satt, dass man Ihnen hin und wieder sagt, dass Sie doch einmal etwas Vernünftiges schreiben, malen, fotografieren, basteln, backen, kochen, erfinden, allgemein tun und so weiter könnten, was sich auch verkaufen lässt oder anderweitig Geld einbringt?
Diese Frage ist so übel, dass ich mich im Moment nach deren Erklingen, stets ganz hilf- und wertlos empfinde. Als würde einer zu mir sagen: Der Hund ist sein Futter nicht wert! Dabei bin ich doch ein Mensch und verstehe gar nicht, wieso dieses wertlose Empfinden überhaupt in meinem Leben ist. Denn geliebt, fühle ich mich schon immer, allerdings von innen, und zwar direkt vom Schöpfer, meiner Leibhaftigkeit. Dieser fragte mich auch noch nie, wann ich denn mal bezahlen will, für die ungezählten Ideen, Freuden, glücklichen Zufälle und das Leben sowie den unendlich langen Atem allgemein. Ich schließe daraus, dass der Schöpfer aller Menschen und des Universums wirklich derart reich ist, dass dies für ihn nur Peanuts sind, die er großzügig und dies sogar weltweit, alltäglich auf die Erde und überall in deren Bewohner ausschüttet.
Doch, was schüttet der Mensch über seine Mitmenschen aus und ich selbst in mir, bezüglich dieser? Selten ist das Vermutete, das Argwöhnte und nur halb Beäugte, der Wahrheit ähnlich. Auch wird die Frage überwiegend von Menschen in den Raum gestellt, die echte Probleme haben und eventuell sogar einen Teil der Verantwortung dafür, insgeheim dem Befragten unterjubeln wollen. Manche Menschen in meinem Umfeld, vermuten gar eine ausgeprägte Faulheit hinter meiner Beharrlichkeit, das Schreiben als eine meiner Bestimmungen wahrzunehmen. Diese Vermutung entspringt selbstverständlich deren Unwissenheit und zwischenzeitlich kann ich Derartiges leicht verkraften. Dass ich wahrhaft beinahe rund um die Uhr arbeite, hätte sowieso bei den ganz Ernsten als Antwort keinerlei Gewicht. Letztendlich kann ich mir die Finger wund schreiben, doch selbst dann, wird man mich nur für dumm halten, solange nichts – bei all dem Fleiß – an münzig Klingendem und scheinig Raschelndem herausspringt. Denn Arbeit ist allgemein, sowohl hier als auch dort, lediglich allumfassend anerkannt jenes, wofür man bezahlt wird. Alles Andere gilt oft als Freizeitvergnügen, Beschäftigungstherapie oder selbst auferlegtes Muss. Dessen bin ich mir bewusst, weil ich selbst jahrelang die gleiche Ansicht vertrat. Arbeit ist kein Vergnügen, genau deshalb wird man dafür auch bezahlt.
Zwar kann man mit Vergnügen, auch in mindestens zwei Bereichen der Wirtschaft Geld verdienen, doch für den einen Bereich, bin ich zu alt, für den anderen Bereich – nicht gebildet und begeistert genug. Die Bühne lockt mein Herz keinesfalls, denn stets ist es wieder der heimische Schreibtisch, an dem ich Stunde für Stunde, mit Begeisterung schreibend klebe und dabei, sowohl himmlisch als auch höllisch Lachen und Weinen kann. Immer öfter überraschelt mich das Empfinden, dass mein Kopf und Körper eine Art Vergnügungszentrum für den lockeren Geist darstellen, der jener herkömmlich betrachteten Arbeit, gar nichts abgewinnen kann. Deshalb auch mit locker benannt und ebenfalls aus dem einen Grund, weil er immer da ist. Selbst wenn ich meine Augen schließe, fährt der Geist noch eine Weile Achterbahn in mir, kichert in meinem Bauch herum und springt dann irgendwann aus der Gondel, sodass ich nie genau sehe, wo er letztendlich abhängt, wenn ich tief und fest schlafe. Die Liebe verbindet mich mit dem Leben und auch mit allen Menschen darin. Dass der Geist in mir, neben dem Leben allgemein und der grenzenlosen Liebesfähigkeit – im Menschen ein wahrer Schatz ist, das weiß ich mit Gewissheit und glaube darüber hinaus, an diese gleichlautende Gültigkeit für jeden Menschen, der atmet und lebt.
Nun frag ich mal einfach so in den Raum, geliebter Geist, was kann ich tun?
Du kannst stets und überall, deine Wahrnehmung von den Dingen ändern. Mit Sicherheit kannst du dich in diesem Moment daran Erinnern, wie du eine Position im Berufsleben nicht erreichen konntest, eben weil du jahrzehntelang dachtest, dass dir die Gesellschaft diese Position nicht zugesteht, weil dir dies und auch das, als Befähigungsnachweis fehlte. Du wolltest eine bestimmte Art von Job hinter dem Schreibtisch ausüben und machtest Überstunden, wo immer sich die Gelegenheit zu mehr Arbeit bot. Dennoch wurden viele Jahre, nur Männer an deinem Schreibtisch vorbei gefördert. Du warst dir letztendlich sicher, dass es nicht an deiner Arbeit und deren Ergebnissen lag, sondern lediglich daran, dass du eine Frau und „nur“ Sekretärin warst. … und was ist dann passiert?
Ich hab aufgegeben.
Was hast du aufgegeben?
Den Wunsch, etwas erreichen zu wollen, was mir offensichtlich nicht zustand, was nicht für mich bestimmt war, sonst wäre ich ja als Mann geboren worden und nicht mit ganz weichen Eiern, verborgen und geschützt in den Eierstöcken. Plötzlich konnte ich das akzeptieren und beschloss mein Leben, nun in aller Ruhe und bis zur Rente als Sekretärin zu genießen. Es war ein winziger Schluck Bitterkeit in dieser Entscheidung, doch dessen Nachgeschmack verflog ganz schnell. Bereits zwei Tage nach der Akzeptanz, des mir unveränderlich Erscheinenden, hatte ich bereits einen neuen Arbeitsplatz gefunden, den ich mir als gemächlichen Rollstuhl, in die Zeit der Rente und des Ruhestands schmackhaft machen konnte. Es vergingen noch drei weitere Tage, bis mir der – Noch-Chef bis zum Monatsende – überraschend ein Angebot auf den Tisch legte, dass beinah all meinen Vorstellungen entsprach, von denen ich mich nur 6 Tage zuvor – für immer – verabschiedet hatte.
Ab dann ging alles ganz schnell. Etwa einen Monat nach dem Halte-Angebot des – nun wieder Chefs – saß ich direkt in meinem erfüllten Wunsch, ohne auch nur einmal auf dem Weg dorthin geschwitzt zu haben. Mehr als 16 Jahre harte Arbeit zuvor, hatten mich dieser Erfüllung nicht einen Zentimeter näher gebracht. Es war das Aufgeben des Wunsches, was die Erfüllung nach sich zog. Was mich wieder an die selige Bärbel Mohr und deren Büchlein „Bestellungen an das Universum“ erinnert, denn darin weist sie strikt darauf hin, dass das Aufgeben einer Bestellung, auch gleichzeitig ein Loslassen ist und Vertrauen stets förderlich.
Dankeschön, lieber Geist, dass du mich daran erinnert hast. Mit dieser Antwort, kann ich weiter arbeiten. Warum lachst du jetzt durch mich?
Weil du schon wieder arbeiten willst. Kein Wetter kann deine Arbeitslust zügeln und so preschen die Gedanken mit dir über alle Felder, ohne auch nur eines wahrhaft neu zu bestellen.
Lach nur weiter, nach getaner Arbeit, lach ich dann mit. Außerdem will ich gar nichts bestellen, sondern vielmehr das blinde Korn jäten. Denn ich erinnere mich ebenfalls daran, dass mir auf merkwürdige Art bewusst wurde, dass ich es selbst war, die sich jener Beförderungen der erwünschten Art, stets innerlich nicht würdig fühlte. Ich erinnere mich daran, wie ich mir selbst und auch anderen Menschen beharrlich erzählte, dass man mich nie befördern würde, weil mir eben jenes fehlte und ich das Andere nicht sein könne. Es war immer dieselbe Geschichte, die ich mir selbst auftischte. Dann begann ich plötzlich wahrzunehmen, wie viele Frauen in meinem beruflichen und auch privaten Umfeld, bereits in gehobener Position arbeiteten. Zuvor hatte ich nur Frauen gesehen, erst jetzt sah auch deren Status. Ich hatte also Jahrzehnte in meiner eigenen Welt gelebt und auf die stetig gleichen Kulissen gestarrt. Was mich zur nächsten Frage führt:
Womit halte ich mich diesmal zurück, was behindert meine Sicht in eine Welt, die meinen Wünschen entgegenkommt, wenn ich sie nicht behinderte und gleich derart wahrnehme? Mir ist schon bewusst, dass ich es selbst inszeniere, doch wie mache ich das? Was sind meine Argumente und Erklärungen, die als Entschuldigung für zögerlichen Erfolg dienen? Dienen – ist in diesem Zusammenhang trefflich gewählt.
Grundsätzlich kann mir nichts nachteilig dienen, weil aller Dienst nur geschieht, da ich diesen in Anspruch nehme. Also freiwählend nutze, was ich für dienlich halte. Wenn der Dienst ein Nachteil wäre, müssten Milliarden Menschen ihren Glauben überdenken. Denn es besteht ja auch die Möglichkeit, dass alle Menschen einfach nur miteinander friedlich leben können, und somit keiner des Anderen Diener sein braucht. Sich als Spielball der Freude, selbst zu dienen, ist sowieso das Allerbeste, was man wählen kann, um alle Launen aufzulösen. Somit bleibt das Umfeld in Harmonie und wirklich angenehm leben, tut es sich letztendlich nur in dieser.
Somit beende ich jetzt das Satt haben und wende mich einfach wieder dem durchschaubaren Jetzt zu. Schau mir die Welt in Stille und frei von Hoffnung an. Mal sehen, was diese dann dreht und mir vor die Füße legt, wo ich nun das Leben wieder sanft hungrig anlächeln kann. Und ach, sieh doch, was mir der Geist gerade in die Optik spielt:
„Zeit haben nur diejenigen, die es zu nichts gebracht haben.
Und damit haben sie es weitergebracht als alle Anderen.“
Giovannino Guareschi
Mein Gott, ich bin so reich und danke dem in mir, was das Leben auch durch mich, schön und lebendig liebt.

Lila Distel mit Hummeln
Hier folgt noch ein fühlbares Dankeschön an Zarah Z. 🙂 für die Inspiration, Erinnerung als Laterne zu nutzen.