Bist du normal? (Erinnerung)

von Luxus Lazarz

 

Die Welt steckt voller Behauptungen, die man vorfand, angeboten bekommt und für wahr annimmt, weil es so normal erscheint. Doch, was ist normal? Ist es normal zu leiden, weil man verlassen wurde, von einem Menschen, der offensichtlich nicht aus Liebe ging. Ist es normal, jemandem hinterher zu trauern, der letztendlich gar keine Achtsamkeit mehr für das angeblich Geliebte empfand? Nein, das ist nicht normal. Denn normal wäre es doch, weiter zu leben und dem, was man ja gedanklich immer noch liebt, einfach nur viel Glück zu wünschen. Normal wäre es ab dann, frohen Mutes nach vorn zu sehen und sich dessen gewiss zu sein, dass da nun wieder ein freier Platz im eigenen Leben ist, für noch mehr Liebe – als bisher erfahren.

Warum gelingt es uns, den Menschen, nur derart schwer, das offensichtlich leicht Verständliche anzuwenden? Wurde uns der Wahnsinn eventuell unbemerkt in der Kindheit als Normalität nahe gebracht und schmackhaft gemacht? Gewiss ist, je mehr Menschen in einer bestimmten Art und Weise in ähnlichen Situationen reagieren, als umso normaler wird deren Verhalten sogar dann angesehen, wenn es wahrhaft zerstörrerisch ist. Nur Blinde werden bestätigen, dass es zum Beispiel normal sei, sich für einen guten Zweck Eiswasser über den Kopf zu schütten, oder sich über Menschen zu ärgern und Urteile zu fällen, die man selbst gar nicht kennt.

Weitaus folgenreicher zeigt sich jedoch die Übernahme jener Normalität, die dem Menschen allgemein in Literatur und im Fernsehfunk von Kindesbeinen an einverleibt wird. Auf der Bühne und alles übertreffend im Film, werden jene Helden dem Publikum offeriert, die leidend noch viel schöner und begehrenswerter sind als die Langweiligen, denen gar nichts fehlt. Man erinnere sich zum Beispiel an Liz Taylor, Kirk Douglas und an all die anderen – anziehend Schönen und Helden, die nach diesen Schauspielern kamen und dem Menschen auf der Leinwand vormachten, wie man echte Gefühle ausdrückt. Wie es aussehen und klingen muss, wenn der Mensch liebend ist. Von diesen Götzen der Kindertage haben wir gelernt, dass das Leben und all die Liebe darin, niemals einfach sind. Sowohl Mann als auch Frau müssen für ihre Freiheit und Liebe stets kämpfen, genau das vermittelt mit steter Beharrlichkeit – beinahe jedes bekannte Film- und Bühnenwerk. Man bekommt Stücke angeboten, die seit Jahrhunderten von den Schriftstellern aller Moden und Zeiten umgeschrieben werden und in jeder Gegenwart, erneut zu einer angeblichen Uraufführung gelangen.

Dabei ist es gleichgültig, in welcher Zeit, ob im Gestern oder Morgen, die Geschichte angesiedelt ist. Lediglich die technischen Errungenschaften schwinden oder wachsen, doch die zwischenmenschlichen Probleme sind in der gleichen Sackgasse, wie wahrscheinlich vom Beginn der Zeit an. Wir, die Menschen, leben all diese Geschichten nach. Manchmal sind wir dabei frisierter als der Schauspieler und oft anders gekleidet, doch was wir in jenen Momenten empfinden und nachahmen sind niemals wir selbst, sondern lediglich der Abglanz einer Erinnerung daran, wie es sein könnte, das menschliche Leben in der Gemeinschaft.

Die tatsächliche Antwort, wie es ist, das Leben, findet man jedoch in keinem Film. Vielmehr erwartet uns diese stets nur im Jetzt und Hier. Also genau dort, wo das Leben noch keine Geschichte ist, sondern immer lebendig, erfrischend und einzigartig. Im Jetzt, dort wo jeder Schritt im tatsächlich gegebenen Moment überraschende Wendungen mit sich bringen kann und unvorstellbare Dinge einfach so passieren. Weil da freier Raum ist, in unserer Wahrnehmung und der Verstand, zu all dem noch vor uns liegenden Unbekannten, gar nichts beisteuern kann.

Der Himmel ist wahrlich in uns, nur deshalb können wir diesen überhaupt in unserer Welt wahrnehmen. Und jede Freude, die uns ohne Anlaß in der Stille im Innersten durchströmt, ist ein Stern in uns, der zu leuchten beginnt.